Funkensturm

Eine Kurzgeschichte zu Funkenmagie – Farbenspiel der Nacht

 

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    Farbentod

    Ich umklammerte das Messer so fest, dass meine Finger taub wurden. Konzentrier dich, dachte ich verzweifelt. Meine Aufgabe war eindeutig. Und genauso schrecklich.

    Den König töten. Die Magie freisetzen. Zum Fürsten werden.

    Ich sah den Mann an, der vor mir saß, registrierte seine weit aufgerissenen Augen. Die Todesangst. Die Verzweiflung. Ich roch die anderen um mich herum und hörte Braidar, der mich ansprach. Eine sanfte Berührung am Arm folgte. Haikur, der mir zu verstehen gab: Ich bin da für dich.

    Doch bei dem, was ich nun tun musste, konnte mir niemand helfen. All die Jahre hatte ich darauf hingearbeitet, auf diesen einen schrecklichen Moment, aber jetzt, wo er da war, erschien mir alles vollkommen sinnlos. Das lag vor allem an ihr. An der Frau, mit der ich nur so kurz gesprochen hatte und deren Anblick und Stimme sich dennoch tief in meine Seele gegraben hatten.

    Blaue Augen, ein klarer und trotz der Kriegswirren angenehm offener Blick. Neugierig. Selbstbewusst. Blonde, lange Haare, die sich kaum in ihrem Zopf bändigen ließen.

    Ihre Stimme. Sanft, aber dennoch bestimmt. Meist schwang ein Hauch von Ironie in ihr mit, aber auch Humor und ein unterschwelliger Schmerz.

    Und erst der Kuss. Zart. Fast liebevoll. Ein Neuanfang und Abschied zugleich. Er hatte irgendetwas in mir ausgelöst. Den Wunsch, das, wozu ich bestimmt war, nicht tun zu müssen.

    Sie hatte mich innerhalb eines Herzschlags verändert, hatte meinen Entschluss ins Wanken gebracht, meine Pläne durcheinandergewirbelt. Noch gestern hatte ich genau gewusst, was ich zu tun hatte. Mein Tod stand schon lange fest. Was machte es da schon aus, wenn ich zu etwas wurde, was niemand sein wollte? Ich hatte ein Schicksal – und ich war immer bereit gewesen, es zu tragen. Mit Fassung. Mit Stolz. Mit Würde.

    Aber jetzt, jetzt wollte ich leben. Ausgerechnet jetzt.

    Das Messer in meiner Hand wog mittlerweile gefühlt Tonnen. Wieder eine Berührung. Dieses Mal war es Aatu, mein Freund aus Kindertagen, der mir sanft, aber bestimmt, zu verstehen geben wollte, dass ich mich aus meiner Starre lösen musste.

    »Eamon«, sagte Braidar. »Du musst das jetzt tun. Sofort.« Äußerlich wirkte er ruhig, doch ich kannte ihn zu gut. Er hatte schon seit Jahren versucht, mir den selbstzerstörerischen Weg, den ich ging, zu versperren. Hatte gegen mich intrigiert, mir das Leben schwer gemacht. Trotzdem waren wir Freunde geblieben, denn ich wusste nur allzu genau, warum er sich so verhielt. Er wollte mich beschützen. Nun, da es kein Zurück mehr gab, stand er wie ein Fels an meiner Seite. Er drückte mich ein Stück nach vorne, hin zum König, der mit jedem meiner Schritte blasser wurde.

    Wir hatten ihn an den Stuhl fesseln müssen, denn entgegen seiner vorherigen Behauptungen waren ihm die Nerven durchgegangen. Er hatte versucht, dem Unvermeidlichen zu entgehen. Hatte verhandelt, gefleht, gebettelt. Doch sein Schicksal war genauso besiegelt wie meines.

    »Wenn du mich tötest, Eamon, ist dein Leben verwirkt. In ein paar Monaten, wenn sie dich nicht mehr brauchen, werden sie dich hinrichten. Durch die Hand eines anderen. Du wirst ebenso elendig ermordet werden wie ich. Falls dich die Magie nicht vorher schon auffrisst«, sagte er mit finsterer Miene. Eines musste man ihm lassen: Er hatte ein Talent dafür, aufwühlende Worte zu finden. Sie drangen wie Messerstiche in mein Herz.

    Ich atmete tief durch, straffte meine Schultern. Die blonde junge Frau, die meine Gedanken neuerdings beherrschte, war Vergangenheit. Wir hatten keine Zukunft. Hatten nie eine gehabt, denn unsere Welt brach zusammen. Das Schloss wurde bombardiert, wurde schon seit Jahren belagert. Wenn ich jetzt nicht Kriegsfürst wurde, waren wir verloren. Sie. Ich. Unser Volk.

    Mir war nur allzu klar, warum man letztlich mich auserwählt hatte. Ich war ein Fy. Ein Feuermagier. Mächtig, jung, kampferprobt. Mein Wille war trotz der vielen Kriegsjahre, die hinter mir lagen, ungebrochen. Das hatte ich vermutlich meiner Sturheit zu verdanken – und dem einen Ziel, das ich verfolgte: Die feindlichen Tul Curragh zu vernichten.

    Unser König war nicht in der Lage gewesen, Magie für einen Befreiungsschlag zu nutzen. Er war ein Jeal und gehörte damit einer Rasse an, die über keine Magie verfügte. In Friedenszeiten war das etwas Gutes, denn die Magie war grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Im Krieg jedoch waren es oft die besten Magier, die über den Ausgang einer Schlacht entschieden.

    Der Gedanke machte mir Mut, und ich drängte die Erinnerung an die junge Frau beiseite. Mir war längst klar, dass ich sie niemals wiedersehen konnte. Wenn ich erst einmal Kriegsfürst war, würde ich mich verwandeln. In etwas jenseits dieser Welt. Für Liebe würde dann kein Raum mehr bleiben.

    »Es tut mir leid«, sagte ich zum König, hob das Messer und stieß zu. Er schrie vor Schmerz und Schock auf. Dass ich so plötzlich angreifen würde, hatte er nicht erwartet. Er zuckte, stemmte sich gegen seine Fesseln, doch nur für wenige Sekunden. Ich hatte gut gezielt.

    Seine Augen brachen, noch bevor die ersten Blutstropfen über meine Hände liefen. Sein Kopf sackte zurück, sein Körper erschlaffte.

    Im gleichen Moment spürte ich es. Etwas verschob sich in mir, als würde meine Seele zur Seite gerückt. Ein scharfer, grausamer Schmerz zischte durch mein Innerstes. So heftig, dass ich mit einem Keuchen in die Knie ging, mir an die Brust fasste.

    Funken stoben vom Körper des Königs auf. Magiefunken. Sie tanzten federleicht über die leblose Gestalt, wirbelten zu mir herüber. Sie waren schwarz, dunkel, bedrohlich. Meine eigene rote Funkenmagie erwartete sie zitternd.

    Ich wappnete mich, denn was jetzt geschehen sollte, würde schrecklich werden. Die fremde Magie versank in mir. Sie zerriss mich und setzte mich in der gleichen Sekunde neu zusammen. Nur war ich dann nicht mehr Eamon. Ich war der Kriegsfürst der Tul Dalla. Der Fy-Riad. Das tödlichste Wesen im ganzen Reich.

    Funkensturm

    Die nächsten Stunden flossen in einem dunklen Funkenmeer an mir vorüber. Ich atmete, ich kämpfte, ich verlor. Mein Ich zersprang, und meine Gedanken zerfaserten. Der Wunsch in mir, mein Volk zu beschützen, verdrängte alle anderen Empfindungen. Ich spürte das Leid meiner Soldaten, die Verzweiflung der Schlossbewohner, den Hunger der Tiere.

    All das entfachte meinen Zorn, ließ mich zu einem Werkzeug aus Wut und Kraft werden. Ich wollte vernichten, wollte einschreiten. Die Tul Curragh, die all die Jahre vor unseren Mauern gelagert, meine Männer getötet, gebrandschatzt und gemordet hatten, mussten vertrieben werden. Und ich allein war dazu in der Lage.

    Zunächst jedoch hatte ich genug damit zu tun, mich auf den Beinen zu halten. Der Kampf, der in meinem Inneren tobte, ließ kaum Raum für andere Dinge. Erwachende Magie war immer schmerzhaft. Doch das, was ich jetzt erlebte, war heftiger als erwartet.

    Wahrscheinlich wäre es weniger quälend gewesen, wenn ich mich dem Funkensturm einfach ergeben hätte. Mich hineingestürzt hätte in die Woge aus Hass, Wut und Zorn. Aber ein kleiner Teil in mir kämpfte verbissen um das, was mich ausmachte. Für einen Fy war ich erstaunlich besonnen. Friedfertig. Ich hatte Diplomatie immer schon einem Angriff vorgezogen, doch mit dem, was jetzt in mir war, schien das nicht mehr möglich zu sein.

    Stück für Stück wurde ich auseinandergenommen, mein Wille verdrängt. Die Magie in mir machte sich selbstständig. Sie rief die Drachen zum Kampf, befahl die Magie der Fy zu sich, rüstete sich für den alles entscheidenden Schlag.

    Ich kämpfte in der Zwischenzeit um meinen Verstand. Rang um jedes bisschen Sicht. Ganz allmählich sah ich nicht mehr ausschließlich blitzende Funken, sondern erkannte den Thronsaal. Braidar hockte etwa einen Meter von mir entfernt auf den Knien. Die anderen warteten in größerer Entfernung. Ich spürte ihre Herzschläge, ihre Angst. Sie waren ein Teil von mir. Ob ich wollte oder nicht.

    Erst jetzt bemerkte ich, dass Braidar mit mir sprach. »… Wall gefallen. Entweder du greifst jetzt an, oder es ist zu spät!«

    Ich blinzelte. Schweiß tropfte von meiner Stirn. Zitternd hielt ich mir den Bauch, roch Magie und … Rauch.

    Eine Menge Rauch.

    Ich drehte den Kopf, sah am goldenen Thron vorbei durch die gläsernen Fensterfronten. Sie waren die einzigen Scheiben in der gesamten Festung, die dem Krieg bis jetzt getrotzt hatten. Die Kanonenkugeln der Tul Curragh waren noch nicht bis hierher geflogen, der letzte Wall hatte sie gebremst. Doch der war offenbar gerade gefallen.

    Ein Knall. Tausend Splitterstücke flogen mir um die Ohren. Die Krieger neben mir warfen sich zu Boden, schützten ihre Köpfe, während ein riesiges Geschoss quer durch den Thronsaal schleuderte und alles zerfetzte, was ihm im Weg war.

    Ab jetzt fanden die Kämpfe direkt vor dem Schloss statt. Das Finale. Die letzte Schlacht.

    Braidar rappelte sich mühsam wieder auf. Er hatte eine tiefe Schnittwunde an der Stirn und jede Menge Blut im Gesicht. Der Blick, den er mir zuwarf, war mörderisch.

    »Du musst jetzt etwas tun, Eamon. Ich weiß, dass du keine Ahnung hast, was. Aber tu es einfach! Rette uns! Sei der Fy-Riad, auf den wir all die Jahre gewartet haben.«

    Ich starrte ihnen einen Moment lang an, verabschiedete mich dann von ihm und all den Wesen, die mir so wichtig waren. Er hatte Recht. Nach der Ermordung meines Königs musste ich nun den nächsten Schritt wagen. Es war an der Zeit, loszulassen. Es war an der Zeit, den letzten verbliebenen Teil meines einstigen Ichs gehen zu lassen.

    Ich gab nach. Ließ die Funken in meine Seele dringen. Ließ es zu, dass sie die Erinnerungen von mir, wie ich einst war, verbrannten. Sie zerfetzten die Liebe zu meinen Eltern. Höhlten meine Freundschaften aus. Zerrissen mein Leben. Meine Gedanken. Meine Verpflichtungen. Und die aufkeimenden Gefühle zu der einen jungen Frau, die mein Herz berührt hatte.

    Ich rief das Schloss zum Dienst. Die Drachen, die sich im Inneren in Sicherheit gebracht hatten. Die Ghuls in den Katakomben. Die Steingeister auf den Fenstersimsen. Die Wandbewohner. Und die Fy. Mein Volk, dem ich wieder Kraft und Magie gab.

    Mein Angriffsschrei war so laut, dass sich die Krieger im Thronsaal die Ohren zuhielten. In der gleichen Sekunde rannte ich los. Hielt auf das gewaltige Loch im Fenster zu. Ich sah brennende Pfeile am Himmel, hörte das Donnern der Kanonen, roch den Tod und spürte die heiße Wut in mir. Die Magie explodierte um mich herum, aus mir, in mir. Mein Verstand schaltete sich aus. Ab jetzt war ich nur noch der Kriegsfürst. Alles, was jetzt noch zählte, war die Vernichtung meiner Feinde. Die Welt versank im Dunst des Krieges.

    ***

    Ich wachte in einer dunklen Ecke auf, den Rücken gegen die kalte Mauer gepresst, die Knie angewinkelt, umgeben von Schutt und Asche. Vorsichtig streckte ich mich, ließ es aber sofort wieder sein. Der Schmerz war gewaltig. Stöhnend zog ich die Beine an und rollte mich zusammen, atmete eine Weile still vor mich hin.

    Konzentrier dich, ermahnte ich mich erneut. Wie kommst du hier hin? Was ist passiert?

    »Nachdem du die Tul Curragh weit hinter den äußersten Wall vertrieben hast, hast du noch eine Weile rumgebrüllt. Keine Ahnung, was das für Worte waren. Du hast uns jedenfalls eine Scheißangst eingejagt«, sagte jemand zu mir. Hatte ich meine Fragen etwa laut gestellt? Scheinbar.

    Mühsam hob ich den Kopf, blickte mich um. Braidar lehnte fünf Meter von mir entfernt an der Mauer. Seine Kleidung war zerfetzt, sein Gesicht sprach von Kampf und Krieg. Doch seine Augen blitzten hoffnungsvoll. »Dann bist du auf einmal verstummt, hast uns angeblafft, dich allein zu lassen, und hast dich in dieser Ecke zusammengerollt. Das ist etwa vier Stunden her. Ich glaube, du warst ohnmächtig.«

    Ich stöhnte und hielt mir den Kopf. Mir rauschte das Blut in den Ohren. Sobald ich die Augen schloss, tanzten bunte Funken in der Dunkelheit. Ich war so randvoll mit Magie, dass mir schlecht wurde.

    Abrupt setzte ich mich auf und erbrach mich in die Ecke. Braidar seufzte. »Ja, das hast du auch schon mindestens drei Mal gemacht. Hier!«

    Er warf mir einen Trinkschlauch zu. Ich hatte nicht die Kraft, ihn elegant aus der Luft zu fangen. Stattdessen prallte er unsanft gegen meine Brust und plumpste in meinen Schoß. Ich brauchte eine Weile, ehe ich ihn an die Lippen führen konnte. Das Wasser schmeckte schal und abgestanden. So wie ich mich fühlte.

    Braidar musterte mich aus seinen klugen Augen. Da er mir seine linke Seite zugewandt hatte, sah ich die kahlen Stellen auf seinem Schädel. Tiefe Brandwunden hatten vor langer Zeit dafür gesorgt, dass dort keine roten Haare mehr wuchsen. Sein Ohr fehlte. Er hatte es im Kampf verloren.

    »Kannst du mich eigentlich verstehen?«, fragte er besorgt. Er zog eine Augenbraue hoch. »Oder überlegt der Fy-Riad in dir gerade, wie er mir am effektivsten den Hals umdrehen kann? Dein Blick ist so bedrohlich.«

    Ich blinzelte. »Ich verstehe dich«, brachte ich dann mühsam hervor. »Aber meine Gedanken zerfasern. Wie Nebel, der vom Wind verweht wird.«

    »Wie poetisch«, spottete Braidar, doch mir war sofort klar, dass er erleichtert war, sich mit mir unterhalten zu können.

    »Wie lange war ich weggetreten?«, erkundigte ich mich nach einer Weile.

    »Das ist Ansichtssache. Eigentlich hat sich dein Verstand schon ausgeklinkt, als du zum Angriff gerufen hast. Das ist jetzt drei Tage her. Heilige Scheiße. Da ist mir echt anders geworden. Du hast das halbe Schloss auseinandergenommen. Wusstest du, dass ein Kriegsmagier sogar über die Ghuls in den Kellergewölben befehlen kann? Die sehen aus wie schwarze Matschflecken und sind echt unheimlich, das kannst du mir glauben. Schön war auch die Nummer mit dem Wachturm. Du hast ihn auf mehreren feindlichen Katapulten herumhüpfen lassen. Ein Anblick, der sich mir ins Gehirn gebrannt hat.« Er schauderte, und ich konnte deutlich sehen, dass es nicht geschauspielert war. Braidar war wirklich erschüttert.

    »Du hast den Tul Curragh und ihren Kriegsmagiern echt Feuer unterm Hintern gemacht. Wortwörtlich. Sie haben sich weit hinter den letzten Wall zurückgezogen und lecken jetzt erstmal ihre Wunden. Danach hast du gut einen Tag reglos auf den Zinnen des Westturms gestanden. Keine Ahnung, was du da wolltest. Du hast einfach nur so rumgestanden, mit tausend unheimlichen Funken auf deiner Haut und einem mörderischen Blick. Wir haben dich so gut es ging vom Rest der Bevölkerung abgeschirmt. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn sie dich gesehen hätten. Du sahst aus wie aus einem Horrormärchen. Naja. Dann hast du, wie erwähnt, plötzlich rumgeschrien und bist in den Thronsaal gelaufen. Den hast du in Schutt und Asche gelegt – und du warst gründlich, das kann ich dir sagen. Ich glaube, du hattest tierische Schmerzen. Willst du meine Theorie dazu hören?«

    Ich nickte ergeben.

    »Die neue Kriegsmagie wollte dich übernehmen. Voll und ganz. Der Sturkopf in dir hat das aber nicht zugelassen, und wie es scheint, hast du dich durchgesetzt. Sonst könntest du jetzt nicht einfach mit mir reden.«

    Braidar wirkte mit einem Mal wie eine Cae Sid, die den Sahnetopf leergeschleckt hatte. »Ich wusste, dass du es drauf hast«, merkte er zufrieden an.

    »Dass ich es drauf habe? Ich fühle mich eher, als hätte ich die Schlacht verloren.« Ich seufzte und ließ den Kopf gegen den Stein sinken. Ganz langsam kehrten schemenhafte Erinnerungen zurück. Die Zeit auf der Zinne, während der ich den Kampf meines Lebens ausgefochten hatte. Gegen die Magie. Gegen das Vergessen. Gegen das Monster in mir. Es war heftig gewesen. Zwischendurch war ich drauf und dran gewesen, zu verlieren, doch irgendetwas hatte verhindert, dass ich aufgab.

    Ich kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was das gewesen war, aber mein Gehirn war ein einziger Matsch. Ich erinnerte mich dunkel an den Thronsaal und an das Gefühl, irgendwo hin mit meiner Verzweiflung zu müssen. Um mich abzureagieren, hatte ich meinen Frust am Raum ausgelassen. Besser Stein als meine Kameraden.

    »Wie viele Verluste?«, fragte ich müde, doch die Antwort hörte ich nicht. Das Rauschen der Magie übertönte Braidars Worte. Mit ihr kam der Hass zurück, offenbar ein Teil der Kriegsmagie. Sah so jetzt mein restliches Leben aus? Ein Kampf darum, nicht die Beherrschung zu verlieren? Die unglaubliche Kraft in mir im Zaum zu halten? Bei Verstand zu bleiben?

    Eine Hand schob sich in meine. Braidar, der mir Halt gab. Er drückte fest zu, hielt mich fest, zeigte mir, dass ich nicht allein war.

    »Ich sterbe«, flüsterte ich tonlos. »Das, was mich ausmacht, wird aus mir ausgebrannt. Die Magie übernimmt mich. Es ist schrecklich.«

    »Ich weiß.«

    »Aber wenn ich nicht mehr da bin, nicht mehr in diesem Körper lebe, was wird dann aus mir?« Ich sah Braidar an. »Was für ein Monster ist dann Fürst der Tul Dalla?«

    »Wir wissen nicht, ob es ein Monster ist«, widersprach Braidar sanft. »Im Moment tobt es in dir, weil es unser Volk in Gefahr sieht. Wenn sich die Lage beruhigt, zieht sich die Magie vielleicht zurück. Dann wird es bestimmt auch leichter für dich.«

    Er setzte sich dicht neben mich und ließ mich wieder los. Seine Nähe tröstete mich dennoch.

    »Sie haben mich zum ersten Berater ernannt«, merkte Braidar leise an. »Weil ich dich gut kenne. Weil sie hoffen, dass sie dich mit meiner Hilfe kontrollieren können.«

    Ich lachte bitter. »Ich kann mich ja nicht mal selbst kontrollieren.«

    »Gerade geht es dir aber besser, oder?«

    Mit dem Zeigefinger deutete ich auf mein Ohr. »Es piept und dröhnt in mir drin. Aber du hast Recht. Gerade habe ich mich unter Kontrolle.« Nachdenklich sah ich meine Hände an. Sie waren zerschrammt und dreckig. Blut hatte sich unter meinen Fingernägeln gesammelt. Hatte ich mit ihnen oder mit der Magie getötet? Ich wusste es nicht mehr.

    »Der Rat sagt, dass du ein erschreckend mächtiger Fy-Riad bist. Du hast dich viel schneller an die Magie gewöhnt als deine Vorgänger. Die lagen wohl meistens erstmal drei oder vier Wochen im Delirium. Magieschock. Du scheinst das besser zu verkraften. Glückwunsch.«

    »Danke«, sagte ich trocken. »Hab ich wenigstens den Kriegsfürsten der Tul Curragh getötet?«

    Braidars Schweigen war Antwort genug. Nein. Der Kriegsfürst, der uns überhaupt erst in diese Lage gebracht hatte, schien entkommen zu sein. Was für ein Mist.

    »Dann kommen die Tul Curragh zurück«, merkte ich düster an. »Bald.«

    »Ja. Aber bis dahin bist du dahinter gekommen, wie du mit deiner neuen Macht umgehen kannst. Stell dir vor, was du alles anstellen kannst, wenn du sie richtig einsetzt.«

    Wir sahen einander schweigend an. »Das möchte ich mir gar nicht vorstellen. Es ist beängstigend. Diese Macht ist nicht kontrollierbar. Sie kontrolliert mich.«

    »Das weißt du nicht. Ich kenne dich. Du bist sturer und eigensinniger als alle Fy zusammen. Wenn jemand diese Macht bündeln und beherrschen kann, dann bist du das. Deshalb haben sie dich auserwählt.«

    Sie. Nicht wir. Braidar war immer dagegen gewesen, dass ich Fy-Riad wurde. Er liebte mich dafür zu sehr. Ich war mir nie sicher gewesen, wie weit diese Liebe eigentlich ging. War es die eines Bruders? Eines Waffengefährten? Oder die eines Geliebten?

    Der Gedanke weckte eine Erinnerung in mir. Blass. Farblos. Ohne Kontur. Ich sah ganz kurz blaue Augen aufblitzen. Da Braidars Augen grün waren, schien es nichts mit ihm zu tun zu haben.

    Ich runzelte die Stirn. Als ich knapp davor gewesen war, mich vollkommen an die Magie zu verlieren, war etwas mit mir geschehen. Der Teil in mir, der mein Ich ausmachte, hatte aufbegehrt. Wegen jemandem. Wegen ihr.

    »Ich muss gehen«, sagte ich abrupt und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Meine Knie fühlten sich an wie Pudding, meine Knochen wie Gelee. Die Magie in mir flammte kurz auf, doch ich drängte sie beiseite. Vor Schmerzen konnte ich kaum atmen, aber ich kämpfte dagegen an.

    Ich musste zu ihr. Musste wissen, ob sie den letzten Angriff überstanden hatte. Es war ein heftiger Kampf gewesen. Mitten im Schloss. Was, wenn sie ihn nicht überlebt hatte?

    Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, eine weitere Woge aus Funken drohte mich zu überschwemmen. Die Magie spürte meine Unruhe und nutzte sie, um hervorzubrechen. Ich rang verbissen mit ihr und kam trotz der Schmerzen auf die Beine.

    Braidar stand bereits. Er hob die Arme, wollte mich wahrscheinlich stützen, doch ich wehrte ihn ab. »Nicht anfassen«, sagte ich streng. Meine Haut brannte wie ein Flammenmeer. Umhüllt von wirbelnden Funken. Es tat weh. Sehr weh.

    »Wo willst du denn hin?«

    »Nach draußen.« Ich atmete tief ein und aus und ging los. Jeder Schritt war eine Qual, jedes Heben der Beine kostete Überwindung. Mein Körper protestierte, aber das war alles nebensächlich.

    Sie war eine Arven. Gehörte damit zu dem Volk, auf das es die Tul Curragh abgesehen hatten. Es gab viele Theorien, warum das so war, doch der Grund war für mich momentan egal. Ich wollte nur erfahren, was mit ihr geschehen war. Mit ihr und ihren zwei kleinen Drachen.

    »Eamon«, rief mir Braidar eindringlich hinterher. »Du musst dich ausruhen. Außerdem will der Rat mit dir besprechen, wie es weitergeht.«

    »Der Rat ist mir sowas von egal.« Ich drehte mich noch einmal zu ihm um. »Bleib hier«, befahl ich scharf und wankte um die Ecke. Zu meiner Überraschung folgte er mir nicht. Früher hätte er meine Bitten ignoriert, mich zu meinem Glück gezwungen oder es zumindest versucht. Früher. Doch damals hatte er mich auch noch einschätzen können. Jetzt stand ich in der Rangfolge weit über ihm – und war unberechenbar geworden.

    Ich hob den Blick und straffte meine Schultern. Weiter. Bevor die Magie wieder zuschlug. Mein Herz machte einen Satz, als ich Oona sah. Die geflügelte Elfenkatze hockte im Gang und hatte eindeutig auf mich gewartet. Sie legte den Kopf schief und musterte mich aufmerksam.

    »Hallo, Oona«, sprach ich sie vorsichtig an. Vor Erleichterung ließ sie ihre Gestalt kurz aufleuchten. Ihre typische Art, mich zu begrüßen. Ich vergrub meine Hand in ihrem weißen Fell und strich ihr über den Kopf.

    Sie schnurrte leise und stand auf. Offenbar wollte sie mitkommen. Anders als Braidar erlaubte ich es ihr. Sie war meine stille Gefährtin. Im Kampf und im Alltag. Viele Fy hatten eine Cae Sid an ihrer Seite. Die geflügelten Katzen konnten ihre Größe in einem begrenzten Rahmen verändern, was ziemlich praktisch war. Oona war in der Lage, so groß wie ein Pferd zu werden. Mein Reittier im Krieg. Tödlich und vor allem absolut loyal.

    Dass ich nicht mehr derselbe war, schien sie nicht zu stören. Sie erkannte mich weiter als ihren Herren an, was ein beruhigender Gedanke war. Wenigstens sie blieb mir in all dem Chaos.

    Kaum hatte ich den Gedanken beendet, fing das Brennen in mir wieder an. Wie es schien, reagierte die Magie auf jede Gefühlsregung. Freude und Liebe fand sie besonders unangemessen.

    Ich ignorierte den Schmerz und wankte weiter. Mein Ziel war klar. Ich musste zu ihr. Ein letztes Mal. Bevor ich mich für immer verlor.

    Flammenmeer

    Ich trug keine Schuhe. Außerdem war mein Hemd zerfetzt und meine Hose zerrissen. Ich stank, doch das war nicht zu ändern.

    Ich hatte die junge Frau bislang drei Mal getroffen. Zwei Mal davon an ihrem Lieblingsplatz. Ihrem Rückzugsort. Dem Südturm. Wenn sie noch lebte, würde sie dorthin kommen. Da war ich mir sicher – oder ich hoffte es zumindest.

    Der Weg durch das Schloss war lang und schwierig. Ich wich meinem Volk so gut es ging aus. Wenn mich doch jemand sah, erstarrte er in der Bewegung. Ich musste schrecklich aussehen.

    Als ich an einer spiegelnden Fläche vorüberkam, blieb ich davor stehen, atmete tief durch. Es war an der Zeit, mir meine Veränderung selbst vor Augen zu führen.

    Langsam wandte ich mich meinem Spiegelbild zu, sah meine Augen und sah sie wiederum nicht. Die braunen Iriden waren Vergangenheit. Jetzt hatten sie eine neue Farbe. Schwarz. Wie die Nacht. Aber das Schlimmste waren die Funken. Früher war ich ein Feuermagier gewesen. Meine Funkenfarbe war daher eigentlich gelb. Doch nun nicht mehr.

    Ich blickte in ein Meer aus blauen, gelben, roten und stahlgrauen Funken. Wasser. Feuer. Tod. Luft. Die verschiedenen Magiearten der Fy. Ich war wirklich und wahrhaftig der Fy-Riad. Meine Augen waren der Beweis.

    Ich musste wegsehen und erst einmal tief durchatmen.

    Da ich ein Krieger und daran gewöhnt war, in kürzester Zeit möglichst viele Details zu erfassen, hatte ich innerhalb von wenigen Sekunden noch weitere Dinge bemerkt. Eins meiner Ohren blutete, und mein schwarzes Haar war rot gesprenkelt. Mein Blut oder das meiner Feinde? Keine Ahnung. Ich wirkte irgendwie gebeugt. Als hätte mich das, was ich erlebt hatte, in die Knie gezwungen.

    Nein. Ich war Eamon. Ich ließ mich nicht so leicht unterkriegen.

    Genervt über mich selbst und meine mich zermürbenden Gedanken lief ich weiter zum Südturm. Dieser war schon vor Jahren so stark beschossen worden, dass er umgekippt war. Da er dabei das Südtor höchst effektiv unter sich begraben hatte, waren Angriffe von dieser Seite aus eingestellt worden. Es war unmöglich, sich durch den Schutt zu arbeiten.

    Ausgerechnet diesen fast unwirklich erscheinenden Ort hatte sich die junge Frau ausgesucht, um sich häuslich einzurichten. Den Efeu hatte sie wie ein hübsches Gartentor arrangiert. Blumen standen auf den kantigen Felsvorsprüngen, Felle bedeckten die aufgeplatzten Steine. Ein gemütlicher Zufluchtsort.

    Ich balancierte wie in Trance über die schmalen Holzbalken, die sie über die Schlucht hin zum Geheimversteck gelegt hatte. Sie war nicht da, aber damit hatte ich gerechnet. Ich nahm mir eines der Felle und ließ mich darauf nieder, spürte dabei jeden Knochen im Leib. Ich hatte Muskelkater von der Magieanstrengung und dem Kampf. Wahrscheinlich war ich in den ein oder anderen Zweikampf verwickelt gewesen. Aber wie hatte ich bloß meine Schuhe verloren?

    Oona musterte mich eingehend. Früher wäre sie zu mir gekommen und hätte sich in Katzengröße an meine untergeschlagenen Beine geschmiegt. Jetzt schien ihr das nicht angemessen zu erscheinen. Sie tapste in Richtung des Abgrunds und legte sich dort hin, ließ mich dabei aber nicht aus den Augen.

    Ich nickte ihr zu. »Kluges Tier«, merkte ich an, woraufhin sich ihre geschlitzten Pupillen verengten. Sie hasste es, als Tier bezeichnet zu werden. Als Feenwesen war sie ein magisches Geschöpf und klüger als so mancher Mensch. Dass sie nicht sprechen konnte, hieß nicht, dass sie dumm war.

    Ich musste über ihre Reaktion schmunzeln – doch das verging mir gleich darauf wieder. Die Magie hatte meine Unachtsamkeit genutzt und zugeschlagen. Mein Magen stülpte sich um. Meine Gedärme schienen zu explodieren. Ich schrie auf und krümmte mich. Dass ich mit einem Mal die volle Ladung Magiewissen abbekam, konnte ich jedoch nicht verhindern.

    Der Fy-Riad in mir wusste ungewöhnlich genau, was in seinem Schloss vor sich ging. Er spürte jedes Wesen, jedes Geschöpf, als sei es eine Verlängerung seines Körpers. Leider kannte ich nicht die passenden Namen zu den einzelnen Wesen, sodass ich nur grob schätzen konnte, was gerade vor sich ging.

    Im Thronsaal versammelte sich vermutlich gerade der Rat, um zu diskutieren. Hier glaubte ich eine Menge Fy zu spüren, aber wer wer war, konnte ich nicht ergründen. Viele Arven und Sidhe waren damit beschäftigt, den Schutt fortzuräumen, die Fy und Puk kümmerten sich um die Verteidigungsanlagen. Ich wünschte mir, die junge Frau unter meinen Leuten erkennen zu können, doch sie blieb verborgen. Versteckt von der Magie.

    Der Gedanke verursachte mir sofort Gänsehaut. Die Magie schien sie als Bedrohung wahrzunehmen. Sie hasste sie regelrecht. Hatte sie mich etwas nicht vollständig übernehmen können, weil …?

    Ein Scharren auf der gegenüberliegenden Seite ließ mich aufsehen. Sie war hier. Stand am Rand der Klippe und sah zu mir herüber. Ihre zwei Drachen hockten wie immer auf ihr. Einer auf ihrem Kopf. Der andere hatte sich wie ein Schal um ihren Hals gewickelt.

    Verzweifelt versuchte ich mich etwas aufzurichten, doch die Schmerzen behinderten mich. Die Magie tobte in mir, wehrte sich gegen die Gefühle, die augenblicklich in mir erwachten.

    Freude. Hoffnung. Erleichterung. Glück.

    Sie lebte! Das war alles, was in diesem Moment wichtig war.

    Auch sie hatte mich längst bemerkt. Anders als Oona ignorierte sie meinen unheimlichen Auftritt und rannte über die Planken. Der blonde Zopf wehte wie eine Fahne hinter ihr her, das Kittelkleid bauschte sich um ihre Knie. Sie trug noch immer die schmutzige Kleidung einer Kaminkehrerin, doch das war mir egal. Für mich war sie das schönste Wesen, das ich je gesehen hatte.

    Ich atmete jetzt flacher, um die Schmerzen aushalten zu können. Es war schwer, gegen die Magie zu kämpfen und mich gleichzeitig auf die junge Frau zu konzentrieren.

    Ihre Drachen waren mittlerweile von ihrer Schulter gehüpft. Im Gegensatz zu ihr erkannten sie die Gefahr, die von mir ausging. Sie spürten die Macht und das Toben in mir. Waren die Funken zu sehen? Das verräterische Flammenmeer auf meiner Haut? Ich sah hastig hinunter, doch zumindest da war nichts zu erkennen.

    Die Augen! Der Spiegel zur Magie. In ihnen war sie bestimmt noch immer sichtbar.

    Rasch senkte ich den Blick. Was jetzt? Was hatte ich mir nur dabei gedacht, hierher zu kommen? Ich brachte sie damit in Gefahr! Die Magie war unberechenbar. Ein Monster, das auf meine Schwäche lauerte.

    Mir wurde eiskalt, als ich mich an den unterbrochenen Gedankengang erinnerte. Die junge Frau war es gewesen, an die ich auf dem Südturm gedacht hatte. Die Erinnerung an sie hatte mich immer wieder vom Abgrund zurückgerissen, hatte mich kämpfen lassen. Ich wollte sie noch einmal sehen. Riechen. Hören. Spüren.

    Sie streckte den Arm aus. Wollte mich berühren.

    »Nicht«, brachte ich hervor und stoppte sie dadurch. Der herrische Ton meiner Stimme alarmierte sie offenbar. Sofort bereute ich meinen harschen Tonfall, doch sie durfte mich nicht berühren. Sie durfte nicht! Was, wenn ich die Magie nicht stoppen konnte?

    »Eamon«, sagte sie leise. Beim Klang ihrer Stimme bekam ich eine Gänsehaut. Mein Herzschlag beschleunigte sich, ein Zittern setzte ein, das tief in mir begann und sich durch meine Knochen fraß.

    Sie sagte etwas zu mir, aber das Piepsen in meinen Ohren übertönte ihre Worte. Ich nickte oder schüttelte den Kopf, hoffte, es an den richtigen Stellen zu tun. Sie zögerte noch eine Weile und setzte sich schließlich ein ganzes Stück von mir entfernt auf den Boden. Da ich nicht hochblickte, konnte ich sie nur erahnen. Der Abstand zwischen uns tat mir in der Seele weh, doch es war besser so.

    Ich sollte gehen. Jetzt! Aber ich ging nicht.

    Ihre Stimme fesselte mich an Ort und Stelle. Ließ mich zur Ruhe kommen. Entspannte mich. Was sie erzählte, konnte ich weiterhin nur undeutlich hören, doch das war egal.

    Sie war alles, was mich noch an diese Welt band. Ohne sie würde ich vergehen. »Entschuldige«, flüsterte ich leise und meinte damit sie und uns und alle anderen.

    In dieser Sekunde entschloss ich mich.

    Ich würde kämpfen. Für mein Volk, für meine Familie, für meine Freunde. Für sie.

    Aber ich würde auch um mein eigenes Leben kämpfen. Mich nicht ergeben. Mich gegen das Monster und die Magie erheben. Ich hatte keine Ahnung, ob das überhaupt möglich war. Ob ich mein Volk retten und mich gleichzeitig gegen die Magie wehren konnte. Aber ich musste es zumindest versuchen.

    Für mich. Und für uns. Für ein gemeinsames Wir.

    Ich blickte auf und sah in ihre blauen Augen. Sie wurde bleich, als sie das Flammenmeer darin erkannte. Meine Augen waren nicht mehr normal, das ließ sich nicht leugnen. Sie bemerkte natürlich, dass etwas nicht stimmte, doch die volle Tragweite dessen war ihr sicherlich nicht bewusst. Noch nicht. Sie hatte einen Krieg ausgelöst. Einen Krieg, der in meinem Inneren begann und sich schon bald nach außen auswirken würde. Ich würde kämpfen, denn sie war es wert.

    Sie war Inea. Die Frau, die die Flamme im Herzen des Kriegsfürsten entfacht hatte.

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