Ihr wolltet eine Leseprobe zu meinem neuen Buch “Selbst ist die Fee” – hier bekommt ihr sie! Ganz spoilerfrei, denn es ist direkt der Anfang:
Leseprobe “Selbst ist die Fee”
Der Schützling ohne Cinderella-Qualifikation
»Du musst mit Weinen aufhören, meine Liebe«, sagte ich möglichst sanft zu meinem Schützling, der heulend in der Küche vor einem müffelnden Lappen saß. Ich selbst flatterte händeringend vor der jungen Frau herum und verfluchte mein Los. Als Fee war es das oberste Gesetz, stets geduldig zu sein. Ich bemühte mich wirklich, diese Maßgabe zu befolgen, doch allmählich lagen meine Nerven blank.
»Ich habe mich ganz schrecklich fies verbrannt«, jammerte Cinderella.
»Wo?«
»Da!«
»Ich sehe nichts. Meinst du diese leichte Rötung?«
»Ja, genau. Das tut schrecklich weh.«
»Heult sie wieder rum?« Das war Anna, die älteste der Stiefschwestern meines Schützlings. Sie kam gerade zur Tür herein und rümpfte bei unserem Anblick die Nase. Das Bild, das sich ihr bot, war vermutlich wirklich äußerst schräg.
Eine Fee, nur etwa halb so groß wie eine Menschenfrau, surrte in einem mit Brandflecken übersäten, ehemals sonnengelben Tuffkleid vor einer heulenden jungen Frau herum. Die Fee war ich und die heulende Frau im rußverschmierten Kittelkleid mein Schützling. Cinderella.
Vermutlich standen mir vor Verzweiflung meine blonden Löckchen zu Berge. Selbst meine schillernden Feenflügel waren angesengt und rochen streng nach Rauch. Kein Wunder. Mein Schützling hatte den Kuchen im Ofen explodieren lassen. Wie auch immer Cinderella das geschafft hatte.
»Sie heult nicht. Sie ist ganz tapfer«, antwortete ich Anna mit einiger Verspätung und versuchte dadurch, die Ehre von uns beiden zu verteidigen. Vergebens. Cinderella, die von uns nur Cindy genannt wurde, überführte mich mit dem nächsten Satz umgehend als Lügnerin.
»Ich sterbe«, rief sie dramatisch. Genau dieser Hang zur maßlosen Übertreibung ließ mich augenblicklich aufhorchen. Cindy verweigerte grundsätzlich jede Arbeit, die auch nur im Entferntesten mit dem Märchen Cinderella zu tun haben könnte. Sobald sie vermutete, dass ich sie für ihre Aufgabe als Prinzgemahlin vorbereiten wollte, verwandelte sie sich plötzlich in ein jammerndes Bündel Verzweiflung. Das bedeutete, dass sie fürs Putzen, Kaminkehren oder Taubenfüttern von einer Sekunde auf die nächste zwei linke Hände hatte. Die schlimmsten linken Hände, die man sich vorstellen konnte.
»Soll ich deine Hand abhacken? Dann ist die böse Verbrennung weg und du hast echten Grund zum Heulen.« Wie gewohnt war Anna genauso pragmatisch wie ungeduldig. Sie hatte wenig Verständnis für die theatralischen Darbietungen ihrer Stiefschwester. Vor allem, weil Anna ähnlich wie die anderen um ihre Rolle in dieser Geschichte wusste.
Anna war die angeblich böse Stiefschwester, die der ach so guten Cinderella das Leben schwer machen sollte. So sah es zumindest das Märchen vor, bloß lief das alles hier nicht nach Plan. Langsam fragte ich mich, ob ich mich wirklich in einer Cinderella-Geschichte befand. Das zumindest behauptete Cindys Märchenblut, das sie angeblich in sich trug.
Jedes Jahr wurden etwa ein Dutzend Mädchen mit diesem Merkmal geboren. Für uns Feen leuchteten sie kaum sichtbar vor sich hin. Nur wer genau hinsah, konnte den Schimmer bemerken. Identifizierten wir Feen solch ein Kind, prüften wir es auf magische Weise, um herauszufinden, welche Märchengestalt wir vor uns sitzen hatten. Das tat nicht weh. Nur ein kleiner Zauberspruch, der den Prüfling deutlicher zum Glitzern brachte. Die Farbe gab Aufschluss darüber, mit welchem Märchenwesen wir es zu tun hatten.
War es eine Cinderella? Ein Dornröschen? Oder eine Rapunzel? Selten war es auch mal ein Goldmädchen oder eine Gänsemagd. Sobald sich unser Verdacht bestätigte, bekam das Mädchen je nach Märchentyp ein bis drei Märchenfeen zugeteilt. Bei einem Dornröschen fuhren wir die volle Bandbreite auf, um über die Jahrhunderte des Schlafes gut gerüstet zu sein. Drei Feen waren Minimum. Eine Rapunzel musste ein spezielles Klettertraining absolvieren, saß aber ansonsten meistens nur in ihrem Turm herum. Daher reichte eine Fee. Im Fall einer Cinderella gingen wir unterschiedlich vor. Mal wurden diese Mädchen nur von zwei Feen trainiert, manchmal auch von dreien.
Ursprünglich hatte der Feenrat drei Feen für Cindy ausgesucht, doch meine beiden Mitstreiterinnen hatten vor fünf Jahren das Handtuch geworfen. Auch für sie ging es um die Gesellenprüfung. Sie hatten es vorgezogen, sich einen einfacheren Schützling mit mehr Aussicht auf Erfolg zu suchen. Vielleicht war das klug gewesen, nur ich hatte es nicht übers Herz gebracht. Was wäre ich für eine Fee, wenn ich schon beim ersten Problem die Feenflügel strich? Ganz vielleicht war mir auch mein Ehrgeiz zum Verhängnis geworden. Versagen war nicht mein Stil. Also hielt ich die Stellung und sorgte dafür, dass Cindy wegen ihres Hangs zum Chaos nicht aus dem Haus gejagt wurde.
Denn das war schließlich unser Job. Wir mussten unsere Schützlinge bestmöglich auf den großen Moment vorbereiten: auf den Ball/den Kuss/die Kletterpartie mit dem Prinzen. Ich hatte mich während meiner Ausbildung zur Märchenfee auf die Cinderellas spezialisiert und in diesem Fach meine theoretische Prüfung abgelegt. Jetzt stand nur noch die praktische an.
Mir war natürlich klar, dass es nicht jede Cinderella bis zum gläsernen Schuh schaffte. So mancher Fee war das Schicksal dazwischengekommen. Der Fuß der Cinderella passte nicht in den Stöckelschuh oder sie hatte sich vorher in den Müllerssohn verliebt und wollte den Prinzen gar nicht mehr haben. Da war man als Märchenfee machtlos. Am häufigsten scheiterten die Cinderellas an der bösen Stiefmutter. Durch das ständige Gegängel und die schlechte Behandlung verloren diese Mädchen häufig ihr fröhliches, liebreizendes Gemüt und veränderten sich zu garstigen, traurigen oder missgünstigen Wesen, um die ein Prinz von Welt einen großen Bogen machte. Kurz gesagt: Häufig verlief die Geschichte nicht so, wie sie sollte.
Von fünfzehn potenziellen Cinderellas schafften es nur etwa drei zum Ball und nur eine bis ins Herz des Prinzen. Und manche scheiterten schon, bevor sie je den Prinzen zu Gesicht bekamen. Diese hier war genau so ein Exemplar. Sie weigerte sich sogar zu putzen.
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Viel Spaß damit!
Nun bin ich aber neugierig? Was sagt ihr zur Fee?
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