Zwei Tage und Nächte ackerte ich wie verrückt: Ich schlug das Salz aus dem Stein, zerhackte es so klein wie möglich und warf es in die Eimer. Keelin sicherte die Umgebung und holte Wasser.
Vom Salz bekam ich wie immer ganz rissige Haut. Meine Hände brannten und juckten, jede kleine Wunde trieb mir die Tränen in die Augen. Die Haut über dem Knöchel platzte als erste, dann die Lippen. Ich war das gewöhnt und wusste, dass es an der mit Salz geschwängerten Luft lag. Sie entzog dem Körper unfassbar viel Wasser.
Dankenswerterweise gab es einige hundert Meter unterhalb der Salzberge einen Fluss. In den letzten Jahren hatte ich das immer machen müssen – eine mühsame, kräftezehrende Unterbrechung der ansonsten ohnehin schon körperlich anstrengenden Pickelei.
Weil Keelin das Wasserholen erledigte, kam ich schneller voran als normalerweise, allerdings musste ich auch häufiger pausieren, weil mich meine Schulter wahnsinnig machte.
In meiner kleinen Grotte war es kühl. Die Steine glitzerten um mich herum, pures Salz, das herausgeschlagen werden musste. Das Salz schluckte auch fast jedes Geräusch – nur das recht laute Glucksen des angrenzenden Sees war zu hören. Wer daraus trank, war selbst schuld: Das Wasser war so mit Salz durchsetzt, dass jeder Schluck die Kehle verklebte.
Es ist ein unwirklicher Ort. Ein düsterer Ort, obwohl alles weiß ist und glitzert. Weil das Salz aber jedes Leben vernichtet, gibt es hier kaum Leben. Hier existieren nur die gruseligen Salzgraupen, weiße, schwabbelige Kröten, die so groß wie mein Kopf werden können.
Ich glaube, sie sind giftig. Weil sie aber genauso scheu wie ekelig sind, musste ich das nie testen.
Wir schliefen nicht in der Höhle – das wäre Wahnsinn gewesen. Das Salz hätte uns womöglich noch in der Nacht getötet: ausgetrocknet bis auf die Knochen. Stattdessen zogen wir uns immer wieder in den gruseligen Wald zurück und kamen früh am nächsten Morgen wieder her.
Es war der zweite Morgen nach unserer Ankunft in der Salzgrotte. Ich pickelte lustlos vor mich hin, bemüht, meine Schulter so wenig wie möglich zu bewegen. Keelin war unterwegs: Wasser holen und Brombeeren jagen. Das dauerte immer eine Zeitlang, was für mich völlig in Ordnung war. Es gab für ihn hier ohnehin nichts zu tun.
Meeha hockte ganz oben auf meinem Pickel und sauste mit ihm auf und ab. Sobald der Pickel in den Stein fuhr und sie durch den Schlag komplett durchgeschüttelt wurde, kicherte sie begeistert. Versteh einer Wechseltierchen. Sie konnte von diesem Spielchen nie genug bekommen. Weil sie kaum etwas wog, durfte sie dort sitzen bleiben. Es hielt sie bei Laune, was immer gut war.
Doch plötzlich horchte sie auf. Es war nur eine winzige Änderung in ihrer Körperhaltung, aber ich sah sie sofort und hielt mitten im Schlag inne.
Und da hörte ich es: Stimmen. Männerstimmen.
Mir lief ein eiskalter Schauer den Körper hinunter – vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen. Ich riss zusammen mit Meeha die Augen auf. Wenn Meeha das macht, besteht ihr Gesichtchen eigentlich nur noch aus riesigen, kugelrunden Kulleraugen. Sie sah dann einfach nur niedlich aus.
Ich ließ den Pickel fallen und kam hastig auf die Beine. Noch bevor ich halbwegs aufrecht stand, hatte sich Meeha bereits unter meinen Haaren versteckt.
In meiner Höhle konnte ich nicht aufrecht stehen, daher krabbelte ich Richtung Ausgang, das Herz hämmernd vor Furcht. Mir stand bereits der Schweiß auf der Stirn.
Normalerweise kamen nur Händler oder Banditen hierher. Ich betete darum, dass es sich um die erste Kategorie handelte. Aber selbst die waren mit Vorsicht zu genießen – erst recht, seitdem ich wusste, wie ich wirklich aussah.
Ich bezweifelte, dass ihre Reaktion anders als die der Stadtbewohner ausfallen würde.
Es waren acht. Sie ritten auf fünf völlig erschöpften Waris, drei gingen zu Fuß. Ihrer Kleidung nach konnten sie alles sein: Lederhosen, bunte Hemden und darüber dicke, meist braun oder grüne Mäntel. Sie trugen ihre Haare lang, was meist ein schlechtes Zeichen war: Männer mit langen Haaren waren viel unterwegs und meist eher wild.
Ich zog hastig den Kopf ein, damit sie mich nicht sahen.
In Gedanken ging ich meine Möglichkeiten durch: Hier warten und hoffen, dass sie wieder verschwanden. Jetzt loslaufen, rüber zu den Bäumen und laut nach Keelin rufen. Aufstehen und mit ihnen reden. Einfach auf Keelin warten und gucken, was er machte.
Alles nicht sehr vielversprechend.
Möglichkeit eins hakte ich bereits nach einer halben Stunde ab: Die Männer hatten sich niedergelassen, vorne auf den Steinen, da, wo das Salz noch nicht anfing. Sie machten Feuer, zwei hatten Wasser geholt. Sie schienen es sich bequem zu machen.
Bequem hatte ich es ganz sicher nicht: Das Salz fraß sich bereits durch meine Haut, ich spürte von Sekunde zu Sekunde mehr, wie ich austrocknete.
Das hieß für mich: Ich konnte nicht mehr länger hier hocken.
Wo war Keelin?
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