Für die Wanderung würden wir etwa fünf Tage benötigen. Ich war aber schwer bepackt, mit Spitzhacke, leeren Eimern, Tragegurten und meinem Speer. Da ich den Bogen ohnehin nicht spannen konnte, hatte ich ihn zu Hause gelassen. Jetzt fühlte ich mich ganz nackt.
Keelin trottete neben mir her. Ich hatte ihm die leeren Eimer auf den Rücken geschnallt und er wirkte nicht ganz glücklich.
Wir wanderten einen ganzen Tag lang, ohne fiese Tiere zu sehen. Dann wechselte der Wald abrupt vom freundlichen Laubwald in den Nadelwald – und sofort veränderte sich auch die Geräuschkulisse.
Das sanfte Rauschen der Blätter wurde ersetzt durch das spitze Knacken der Nadeln. Hier raschelte die Tierwelt nicht mehr emsig im Laub herum, hier huschten dunkle Schatten von Deckung zu Deckung.
Es war ein erdrückendes Gefühl, aber ich kannte es schon.
Ab jetzt ging ich deutlich vorsichtiger, sicherte meine Umgebung immer wieder nach allen Seiten. Meeha hatte sich als winzige Maus in meinen Rucksack verzogen, ein zitterndes Bündel Angst. Sie hasste diese Reise.
Keelin schien weniger zimperlich zu sein. Man merkte: Er kannte solche Gegenden. Dank seiner Anwesenheit – zumindest vermutete ich das – blieb ich von Knarzi-Angriffen verschont und selbst die leuchtenden Nahuat-Schlangen ließen mich in Ruhe. Sie werden sonst immer von meiner Wärme angezogen. Leider sind sie hoch giftig: Schon die Berührung mit ihrem puscheligen Fell lähmt die gesamte Hand.
Ich weiß bis heute nicht, wie die Natur eine haarige, bunt leuchtende Schlange hervorbringen konnte. Ihr Fell war ständig über und über mit Nadeln verklebt, sie sah einfach unheimlich aus – und trotzdem: Es musste immer wieder Wanderer geben, die sie anfassten und einen ziemlich grausigen Tod starben. Ihre Skelette fanden sich überall in diesem Nadelgehölz.
Ich mied die Stellen.
Die Nacht verbrachten wir einfach auf dem Waldboden. Eine Stelle war so gefährlich wie die andere, es brachte nichts, sich hinter irgendwelchen Steinen zu verstecken. Wer wusste schon, was sich darin, darauf oder dahinter verkrochen hatte? Und sich auf Bäumen in Sicherheit zu bringen, grenzte schon an Selbstmord. Das hatte mir meine Kletterpartie vor zwei Jahren gezeigt.
Doch den Geistern sei Dank: In diesem Jahr hatte ich ja einen Veddawolf bei mir, der mich schützte. Und er schützte mich, eindeutig. Die Tiere hielten Abstand. Und selbst die Nadelhölzer zielten nicht boshaft auf unsere Haut.
Normalerweise war ich nach einer Nacht in den tiefen Wäldern völlig gerädert, hatte so gut wie nicht geschlafen und hatte mindestens einmal ein giftiges, gefährliches oder angriffslustiges Tier in die Flucht geschlagen. Nach dieser Nacht fühlte ich mich aber sogar ausgeruht.
Wir schulterten unser Gepäck. Ich etwas vorsichtiger, denn meine Schulter nervte ziemlich. Der Rest der Reise verlief dann erstaunlich ruhig.
Wir umgingen einen grollenden Usurpator und einen Schwarm Knarzis, aber Taruls oder leuchtende Nahuat-Schlangen sah ich nur aus der Ferne. Und dann spuckte uns der düstere Wald auch schon aus, raus auf die Schotterpiste vor den Salzbergen.
Ab hier war ich wieder vorsichtiger. Es kam immer mal wieder vor, dass Händler hier hoch kamen, um sich am Salz zu bedienen. Ich war nicht scharf darauf, ihnen zu begegnen.
Aber Keelin zeigte nicht an, dass hier irgendwer sonst herumlief, also huschte ich rüber zu meiner Salzhöhle.
Die Fortsetzung findet ihr hier: Salzszene Teil 3